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Foto: Walter Moßner
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Hobby-Winzer? Auf Zeit? Geht so was?

Ja, das von Walter Moßner initiierte Projekt „Erlebnis Weinberg“ macht es möglich.


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Foto: h. Betzold

Bereits zum zehnten Mal bietet das „Weinseminar der besonderen Art“ interessierten Personen die Möglichkeit, jede Menge Informationen rund um das Thema Wein zu erhalten und den Weinanbau näher kennenzulernen. Aber nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis, denn jeder Weinfreund darf ein ganzes Jahr lang einem Winzer über die Schultern schauen und auch selbst im „eigenen Weinberg“ Hand anlegen. Das Wein- seminar beginnt im März mit dem Rebschnitt und dem Niederziehen, was für Laien eine gar nicht so einfache Arbeit ist, gefolgt von diverse Triebkorrekturen, Laubarbeiten, Boden- kunde und Oechsle-Messung bis zur Lese im Frühherbst.

Die Teilnehmer lernen somit alle praktischen Arbeiten im Weinberg kennen. Das Ende des Jahres im Weinberg wird mit einem festlichen Essen, dem sogenannten Niederfall abge- schlossen. Ein gutes dreiviertel Jahr später können sich alle Teilnehmer zunächst ihre Weißweine, nochmal ein viertel Jahr später ihre Rotweine ab holen. Somit werden am Ende alle Teilnehmer ihren eigenen Wein „in Händen halten“ und können diesen selbst genießen, aber auch einige Flaschen davon an Freunde, Bekannte oder Geschäftspartner verschenken.

Was nun treibt einen Nicht-Winzer dazu, sich auf ein solches Abenteuer einzulassen. Die Gründe sind vielfältig. Einige Teilnehmer wollen einfach wissen, wie der Wein in die Flasche kommt, andere freuen sich daran, einmal ein ganzes Jahr im Weinberg mithelfen zu können, aber allen ist wohl gleich, daß sie am Ende „ihren eigenen Wein“ in eigens abgefüllten Flaschen, mit einem persönlichen Etikett versehen, als Lohn der Arbeit erhalten werden. Auch wenn durch ein solches Jahr im Weinberg aus einem Nicht-Winzer sicher kein echter Winzer werden wird, trägt das Seminar doch dazu bei zu verstehen, welche Arbeiten notwendig sind und welchen entscheidenden Einfluß nicht nur die Lage des Weinbergs, sondern auch das Wetter und besonders die Wetterkapriolen auf den Reifeprozeß der Trauben und somit auch auf die Qualität und den Preis des fertigen Weines haben.

Der Weinanbau selbst ist ein Kulturgut mit langer Tradition. Weintrauben wurden schon im 4. Jahrtausend vor Christus in Mesopotamien und am Nil angebaut. Zweifellos ist der Wein ein sehr edles Getränk, in dem sich Mythologie, Genuß und eine uralte Geschichte harmonisch vereinen. Der Wein ist Göttergetränk und kulinarische Kostbarkeit und wird daher seit Tausenden von Jahren auf der ganzen Welt geschätzt. Dabei muß jedem klar sein, daß es beim Weinanbau genauso vielfältig zu geht wie beim Bierbrauen. Jeder Weinbauer hat eine etwas anders ausgeprägte Verarbeitungsmethode der Trauben auf dem Weg vom Weinberg in die Flasche und verfolgt seine eigene Philosophie des Weinmachens in seinem Weingut.

Die erste Tätigkeit im Weinjahr ist der Rebenschnitt, verbunden mit dem Niederziehen der Ruten am Weinstock. Egal ob Handwerker, Ingenieur oder Kaufmann, beim Rebenschnitt ist Präzision gefragt. Das ist schwieriger, als sich das der Unbedarfte vorstellen mag. Mit dem Rebenschnitt werden die wichtigsten Weichen für die Reben in puncto Erziehung, Ertrag und Qualität gestellt. Beim Niederziehen, dem Krummbiegen der Ruten, können die angehenden Weinbauprofis ihr Fingerspitzengefühl beweisen. Auch wenn es mal knackt und kracht, solange das Holz heil bliebt, wird die Rute später im Jahr austreiben.

Auch hier verfolgt jeder Weinbauer seine eigene Philosophie. Generell gilt, den besten Frischholztrieb zu finden, aus dessen sechs bis acht Knospen (der Winzer sagt: Augen) die Reben des neuen Jahrgangs austreiben sollen. Es werden alle Triebe in Bodennähe und am Rebstock entlang bis zur Weinrute entfernt. So kommen Luft und Sonne an die jeweiligen Triebe. Nur ein oder zwei Ruten bleiben stehen. Zusätzlich ist darauf zu achten, daß unterhalb des Frischholztriebes ein „Stutzer“ mit einem Auge stehen bleibt: das ist der Trieb fürs folgende Jahr. Die abgeschnittenen Äste bleiben als Dünger liegen.

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Foto: h. Betzold

Die erste Rute ist die, an der sich die Trauben entwickeln sollen, sie wird nahe am Spanndraht mit leichtem Gegendruck auf Stockhöhe um den Draht gewickelt und mit Bindedraht oder biegsamen Aststückchen in horizontaler Richtung fixiert. Das ist das Niederziehen, das den optimalen Saftfluß gewährleisten soll. Die zweite Rute wird als Ersatz stehen gelassen, falls die erste Rute nicht tragen sollte, zum Beispiel weil sie aufgrund später Fröste doch noch eingegangen ist.

Etwa zwei Monate später erfolgt dann die Triebkorrektur. Mit beginnendem Austrieb kommt Leben in die Reben. Die grünen Blättchen wachsen sich rasch zu langen Trieben aus. Überflüssige, wilde Triebe, die sogenannte Wasserschosse, werden am Fuß des Stockes ausgebrochen. Zudem müssen Doppeltriebe gefunden werden, von denen dann der schwächere Trieb entfernt wird. Zusätzlich werden dann noch Kümmertriebe entlang des Haupttriebes ausgeputzt. Kümmertriebe sind Triebe, die im Vergleich mit anderen nur wenig entwickelt sind und nur Saft und Kraft von den gut entwickelten Trieben ablenken.

Die Triebkorrektur hat zwei Gründe: wilde Triebe erhöhen die Peronosporagefahr und nehmen zudem im Jugendstadium den Hauptrieben die Nährstoffe weg. Zusätzlich müssen die Triebe, die stehen bleiben, festgebunden werden, damit sie gut entlang der Bindedrähte weiterwachsen.

Mitte Juni geht es dann mit Laubarbeiten und dem Heften weiter. Sobald die jungen Triebe beginnen, sich seitwärts oder gar abwärts zu neigen, müssen diese zwischen die Bindedrähte geklemmt (geheftet)werden. Das ist wichtig, weil sonst bei Unwettern die Gefahr besteht, daß Triebe abgerissen werden. Zudem wird das Laub dort entfernt, wo es zu viel Schatten auf die heranwachsenden Trauben wirft und somit die Ausbildung des Zuckers in den Trauben behindern würde.

Anfang August folgt dann das Ausdünnen, die sogenannte Grüne Lese bzw. das Gipfeln. Dabei geht es erneut darum, unerwünschte Triebe, also Geiztriebe, und Blätter zu entfernen. Der Rückschnitt, das Reduzieren der Trauben an der Rebe, ist eine Aufgabe für sich. Das Ziel ist es, ein nahezu perfektes Verhältnis von Trauben pro Rebe zu erreichen, je nach Vitalitätsgrad der Pflanze. Um diese Aufgabe zu meistern, wird zuerst die Traubenzone auf der wetterabgewandten Seite gründlich ausgelichtet. So kommt Licht und Luft an die Trauben, damit sie nicht zu feucht bleiben, da sie sonst Pilzen einen perfekten Nährboden bieten würden. Über den Trauben blieben die Blätter dicht, denn genau sie sind für die Assimilation nötig, die letztendlich den Geschmack mit beeinflußt.

Diese Arbeit sorgt neben der Freistellung der Trauben auch für eine bessere Sonneneinwirkung und Durchlüftung des Weinbergs. Bei diesem Arbeitsgang werden auch überflüssige und nicht gereifte Trauben abgebrochen oder weggeschnitten. Das verringert zwar die Erntemenge, steigert aber die Qualität. Zudem werden die Spitzen der Triebe auf etwa zwei Meter Höhe gekürzt (Gipfeln). Um so mehr ausgedünnt und gegipfelt wird, desto höher ist die Chance auf höhere Oechsle-Grade, dem Mostgewicht des Traubenmostes (Traubensaftes). Das Mostgewicht ist ein Maß für den Anteil der gelösten Stoffe (mehrheitlich des Zuckers) im Traubenmost und somit ein wichtiges Qualitätskriterium von Wein. Eine Qualitätsaussage über den fertigen Wein ergibt sich allerding nur bedingt aus dem Oechsle-Wert: besonders süße Trauben ergeben zwar einen Wein mit besonders hohem Alkoholgehalt, der Geschmack ist aber noch von vielen anderen Faktoren wie dem Säuregehalt abhängig.

Nach einer Arbeitspause steht dann Ende September/Anfang Oktober der Höhepunkt an, die Weinlese. Dieser Zeitpunkt dient auch dem Erkennen wichtiger Paramater als Vorbedingung für einen guten Wein. Aber einfach Trauben abzuschneiden ist nicht, denn Qualität ist oberstes Gebot. Die faulen, die vertrockneten und die unreifen Beeren werden weggeschnitten. Nur vollreife, gesunde Früchte werden „gelesen“, sprich zur Weinherstellung geerntet. Nur diese Trauben kommen in die Traubenbütte (am Rücken getragene Sammelbehälter) und von dort auf den Anhänger des Traktors, der die Lese danach in den Keller bringt, wo der Wein im Lauf der nächsten Monate ausgebaut wird. Und das Beste: nach getaner Arbeit bekommen die Hobbywinzer wie alle anderen Lesehelfer im Weinberg als Lohn für ihren Einsatz ein leckere und reichhaltige Winzervesper mit regionalen Spezialitäten und den Weinen der Vorjahre.

Text: Bernd O. Stottok

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